GET CRACKING!
Kristin Rieber, 2009

In Christine Webers Arbeiten der Serie Get cracking! formieren sich in einem rhythmischen Stakkato leuchtend bunte, kontrastierende Farbflächen zu Szenen militärischer Aufmärsche und Paraden. Die Paraden finden an weit voneinander entfernten Orten statt, etwa in Turkmenistan [Parade 5, 2009], Neu Delhi [Parade 4, 2009], Beirut [Parade 3, 2007] oder China [Parade 2, 2007]. Dennoch unter­scheiden sie sich strukturell kaum voneinander: Dicht gestaffelte, exakt choreographierte Reihen entindivi­dualisierter Männer oder Frauen bilden einen einheitlichen, disziplinierten Truppen­körper, der sich wie eine Wand vor dem Betrachter aufbaut.

Seit einigen Jahren untersucht die Künstlerin, die über­wiegend in thematischen Serien malt, in ihren Arbeiten die Ästhetik und Wirkungs­weise massen­medialer Inszenierungen, wie sie heute in nahezu alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens über­greifen. Als Vorlagen für ihre Gemälde dienen ihr dement­sprechend Bilder aus den Massen­medien wie etwa dem Kino, den Nachrichten­magazinen oder dem Internet. Diese zerschneidet, montiert und bearbeitet sie digital, bevor sie sie auf die Leinwand überträgt. Ihre beiden Serien D Proof [2009] und PL Terror [2008] beispiels­weise basieren auf Szenen aus den als Double-Feature angelegten Filmen Death Proof von Quentin Tarantino und Planet Terror von Robert Rodriguez.

Während sich Christine Weber in D Proof und PL Terror sehr direkt mit Formen der Kommerzialisierung und Ästhetisierung von Gewalt auseinan­dersetzt, argumentiert sie in der Werkreihe Get cracking! ebenso kritisch, aber auf subtilere und indirektere Weise. Zwar zeigen uns Christine Webers Bilder Paraden zu feierlichen Anlässen, die auf die ritualisierte öffentliche Zurschau­stellung von Souve­ränität, Macht und Leistungs­fähigkeit des Staates sowie deren manipulative Verankerung im Massen­bewusstsein abzielen. Diesen Aspekt betont die Künstlerin durch die plakative, reduzierte Bild­sprache, die Anleihen sowohl bei der Pop-Art, etwa den Werken James Rosenquists aus den 1980er Jahren, als auch der politischen Propaganda­malerei zu nehmen scheint. Dennoch lassen die Bilder dieser Serie auch daran denken, dass der eigentliche Zweck des Militärs die organisierte kollektive Gewaltan­wendung, die Durch­führung von Kriegen ist. So lenken sie den Blick auf die Normali­sierung des Militärischen im Zivilen seit dem 11. September sowie auf die Banalisierung von Kriegen, die spätestens seit dem zweiten Golfkrieg zum alltäglichen Bestandteil der Medien­kultur­landschaft gemacht werden.

Durch die stilisierende Malweise und das Entfernen aller Details, die das Individuum hinter der Uniform zu erkennen geben würden, deutet die Künstlerin noch einen weiteren Aspekt an. „Es geht mir darum, die aggressiven Potentiale von Ritualen sowie die unter­schwelligen Totalitäts­ansprüche gesell­schaftlicher Codes und Normen“ sichtbar zu machen, so Christine Weber.

Die Vielschichtigkeit ihrer Themen findet Entsprechung in der Komplexität des Bildaufbaus und der faszinierenden Variations­breite ihrer malerischen Mittel. Verzahnen sich die Farbflächen stellenweise zu einem dichten Farbengewirr, streben sie andernorts weit auseinander und geben den Blick auf die weiße Leinwand frei. Mal sind die Farben opak und flächig-plakativ aufgetragen, mal eher lasierend, wobei sie den Pinselduktus erkennen lassen und in einigen Fällen Rinnsale ausbilden. Somit verweist Christine Weber immer wieder selbst­referenziell auf das Medium der Malerei. Gleichzeitig betonen ihre Werke aber auch den foto­grafischen, digitalen Ursprung ihrer Motive, zeigen auf, dass es der Künstlerin um die Dekon­struktion von vorge­fundenen Bildern geht. Dies erreicht sie durch die Verdopplung und Verschiebung scheren­schnitt­artig heraus­gelöster Splitter desselben Bildes. Unmittelbar assoziiert man das digitale Verfahren des Cut-and-Paste. Die Zerstörung des Motivs lässt zudem an die Zersplitterung des Bildge­genstands bei den italienischen Futuristen denken, die den technischen Fortschritt und Krieg heroisierten. Doch während die Futuristen auf die simultane Darstellung von Bewegungs­abläufen abzielten, geht es Christine Weber vielmehr um eine Art „Bildstörung“, um ein gegen­rhyth­misches Durchkreuzen des Gleichschritts der Truppen. Vor allem gelingt Christine Weber dadurch aber eine enorme Dynamisierung der Komposition: Die scharf­kantigen Motiv­splitter scheinen dem Betrachter regelrecht entgegen­zuschießen und lassen so die latente Aggressivität in der Bewegung der Soldaten greifbar werden.